Une femme
«Jetzt soll es eine Frau richten», «Eine Frau holt den Literaturnobelpreis», «Eine Frau wird Sportchefin beim SCB». Eigentlich heissen sie Livia Leu Agosti, Louise Glück oder Florence Schelling - in den Schlagzeilen aber sind sie «eine Frau». Das Phänomen ist weitverbreitet, in Frankreich hat «une femme» deshalb nun die vielleicht grossartigste Wikipedia-Seite überhaupt erhalten. Sie hat 52 Nobelpreise und eine Fields-Medaille, leitet Yahoo und Scotland Yard, ist mehrfache Staatspräsidentin und hat 2018 ihre erste internationale Rugbypartie gepfiffen - wird aber auch alle zwei Tage von ihrem Mann oder Ex-Partner erschlagen.
Die «eine Frau»-Schlagzeilen wirken mit «Ein Mann» lächerlich. Weil sie es sind. Natürlich ist es erwähnenswert, wenn ein Posten erstmals weiblich besetzt wird, nur: Mit dem Fokus auf das Geschlecht wird die Person und ihre Leistung unsichtbar. «Eine Frau»-Schlagzeilen sind nicht fortschrittlich, sie sind reaktionär. Das gute an ihnen: Während Fortschritte bei Lohngleichheit, Elternzeit oder Care-Arbeit komplex und nicht von heute auf morgen umzusetzen sind, braucht es bei den Schlagzeilen bloss ein Umdenken bei den grossen Medienhäusern. Es ist 2020, es wäre mal wieder Zeit für ein Schrittchen nach vorn. |
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