Spaceshuttles und Pferdehintern
Bildquelle: GovWin
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Kürzlich hat mich mein Bruder auf einen Text aufmerksam gemacht, den er spannend, witzig, überraschend, clever und intelligent fand. Die Geschichte geht so:
«Die Grösse der Boosterraketen von Spaceshuttles wurde definiert durch die Breite von zwei Pferdehintern. Es ist nämlich so: Wenn ein Spaceshuttle startet, sieht man seitlich stets zwei lange, weisse Raketen. Diese werden in Utah gefertigt, Cape Canaveral aber liegt in Florida. Dazwischen gibt es eine Eisenbahnverbindung, die durch einen Tunnel führt. Dessen Breite wiederum ist definiert durch die Standard-Spurbreite amerikanischer Eisenbahnen und die beträgt 4ft 8.5in (143.5cm). Das ist eine seltsame Zahl. Woher sie kommt? Die ersten US-Eisenbahnen wurden von englischen Auswandern gebaut. Sie verwendeten die Masse, die sie kannten. Gut, aber warum wurde in England so breit gebaut? Weil man die Spurweite der ersten Strassenbahnen auf die Eisenbahnen übertrug. Aber warum baute man die Strassenbahnen so breit? Weil die Macher der ersten Strassenbahnen Leute waren, die davor Pferdewagen gebaut hatten und die übernahmen die Werkzeuge und Masse des gewohnten Wagenbaus. Ja, aber warum waren die Pferdewagen so breit gebaut? Weil die ersten Fernstrassen Europas von den Römern gebaut worden waren. Und die hatten Spurrinnen, die das Fahren mit einer bestimmten Wagenbreite erleichterten. Aber warum waren diese genau so breit? Weil die römische Armee zweispännige Streitwagen verwendete, die eben jene Spurrinnen in den Strassen hinterliessen. Die Produzenten der Boosterraketen hätten diese gern etwas breiter gebaut, aber die Breite der Raketen wurde vorgegeben durch die Breite der Hintern römischer Pferde!»
[Weiterlesen! Gopf!]
Die Geschichte löst schöne Gefühle aus: Stauenen, Überraschung, Erkenntnis. Und sie ist kompletter Humbug. Und zwar aus mehreren Gründen.
1. Römer verwendeten keine Streitwagen. Wagen waren etwas für die Strasse oder für die Arena, da wars schön flach, aber für Schlachten auf unebenem Gelände waren sie ungeeignet.
2. Römische Wagenbreiten variierten je nach Zugtieren, Verwendungszweck, lokaler Geographie und Gepflogenheiten. Kurz: es gab keine Standardspurbreite. Die erhaltenen Spurrillen (die übrigens meist künstlich angelegt wurden) variieren zwischen 1m35 und 1m70. Wo schwere Güter transportiert wurden, waren sie tendenziell breiter, wo mehr Wendigkeit gefragt war (in Städten) schmaler, womit nebenbei erwiesen wäre, dass schon die alten Römer gecheckt haben, dass es eine ausgesprochen doofe Idee ist, mit diesen verdammten SUV-Panzern durch die Innenstädte zu bulldozern, ‘tamisiech!
3. (äxgüsé. abgeschweift.)
4. Auf römischen Fernstrassen gab’s nur sporadisch Spurrillen und die variierten in der Breite. Zudem machten römische Strassen weder im Mittelalter, noch in der Frühen Neuzeit einen entscheidenden Anteil des europäischen Wegnetzes aus. Und des englischen am allerwenigsten. Wagenbreiten variierten munter nach lokalen Begebenheiten und Vorlieben. Pferde waren übrigens auch nicht immer und überall gleich gross und kräftig (mittelalterliche Rösser erreichten bloss eine Grösse von um die 145cm, was heute als Pony gälte).
5. Die ersten «Proto-Eisenbahnen» verkehrten in Minen, nicht als Strassenbahnen.
6. Als in England die ersten Trams verkehrten, lag die Spurbreite von Pferdewagen bei 1m30 bis 1m90; 1m43.5 war kein Standard. Noch wichtiger aber ist: Strassenbahnen waren aus Metall und wurden von Metallbearbeitungsexperten mit Metallbearbeitungswerkzeugen gemacht. Pferdewagen hingegen waren traditionell aus Holz, was anderen Knowhows und anderer Werkzeuge bedurfte.
7. Auch bei amerikanischen Eisenbahnen gab es bis zum US-Bürgerkrieg keinen Standard. Dass sich ausgerechnet 4ft 8.5in durchsetzte, ist zwar erklärbar, bis zu einem gewissen Grad aber auch Zufall. Es hätte andere Optionen gegeben.
Die Pferdehintern-Spaceshuttle-Story ist eine nett erzählte Geschichte. Geschrieben von jemandem, der keine Ahnung von Geschichte hat – für Leute, die auch keine Ahnung haben. Und sie ist schon recht alt. Sie taucht bereits 1905 in der Zeitschrift «Popular Mechanics» auf (damals noch ohne den Spaceshuttle-Teil). Früher hätte man von einer Ente gesprochen, heute heisst das simplerweise Fake News. Jeder kann mal auf so etwas reinfallen, ich habe auch schon dazugehört. Darum verurteile ich niemanden, der solche Texte glaubt oder verbreitet, aber ich ziehe umso mehr meinen Hut vor allen, die dazulernen, und die Falschinfos löschen oder korrigieren.
Kürzlich hat mich mein Bruder auf einen Text aufmerksam gemacht, den er spannend, witzig, überraschend, clever und intelligent fand. Die Geschichte geht so:
«Die Grösse der Boosterraketen von Spaceshuttles wurde definiert durch die Breite von zwei Pferdehintern. Es ist nämlich so: Wenn ein Spaceshuttle startet, sieht man seitlich stets zwei lange, weisse Raketen. Diese werden in Utah gefertigt, Cape Canaveral aber liegt in Florida. Dazwischen gibt es eine Eisenbahnverbindung, die durch einen Tunnel führt. Dessen Breite wiederum ist definiert durch die Standard-Spurbreite amerikanischer Eisenbahnen und die beträgt 4ft 8.5in (143.5cm). Das ist eine seltsame Zahl. Woher sie kommt? Die ersten US-Eisenbahnen wurden von englischen Auswandern gebaut. Sie verwendeten die Masse, die sie kannten. Gut, aber warum wurde in England so breit gebaut? Weil man die Spurweite der ersten Strassenbahnen auf die Eisenbahnen übertrug. Aber warum baute man die Strassenbahnen so breit? Weil die Macher der ersten Strassenbahnen Leute waren, die davor Pferdewagen gebaut hatten und die übernahmen die Werkzeuge und Masse des gewohnten Wagenbaus. Ja, aber warum waren die Pferdewagen so breit gebaut? Weil die ersten Fernstrassen Europas von den Römern gebaut worden waren. Und die hatten Spurrinnen, die das Fahren mit einer bestimmten Wagenbreite erleichterten. Aber warum waren diese genau so breit? Weil die römische Armee zweispännige Streitwagen verwendete, die eben jene Spurrinnen in den Strassen hinterliessen. Die Produzenten der Boosterraketen hätten diese gern etwas breiter gebaut, aber die Breite der Raketen wurde vorgegeben durch die Breite der Hintern römischer Pferde!»
[Weiterlesen! Gopf!]
Die Geschichte löst schöne Gefühle aus: Stauenen, Überraschung, Erkenntnis. Und sie ist kompletter Humbug. Und zwar aus mehreren Gründen.
1. Römer verwendeten keine Streitwagen. Wagen waren etwas für die Strasse oder für die Arena, da wars schön flach, aber für Schlachten auf unebenem Gelände waren sie ungeeignet.
2. Römische Wagenbreiten variierten je nach Zugtieren, Verwendungszweck, lokaler Geographie und Gepflogenheiten. Kurz: es gab keine Standardspurbreite. Die erhaltenen Spurrillen (die übrigens meist künstlich angelegt wurden) variieren zwischen 1m35 und 1m70. Wo schwere Güter transportiert wurden, waren sie tendenziell breiter, wo mehr Wendigkeit gefragt war (in Städten) schmaler, womit nebenbei erwiesen wäre, dass schon die alten Römer gecheckt haben, dass es eine ausgesprochen doofe Idee ist, mit diesen verdammten SUV-Panzern durch die Innenstädte zu bulldozern, ‘tamisiech!
3. (äxgüsé. abgeschweift.)
4. Auf römischen Fernstrassen gab’s nur sporadisch Spurrillen und die variierten in der Breite. Zudem machten römische Strassen weder im Mittelalter, noch in der Frühen Neuzeit einen entscheidenden Anteil des europäischen Wegnetzes aus. Und des englischen am allerwenigsten. Wagenbreiten variierten munter nach lokalen Begebenheiten und Vorlieben. Pferde waren übrigens auch nicht immer und überall gleich gross und kräftig (mittelalterliche Rösser erreichten bloss eine Grösse von um die 145cm, was heute als Pony gälte).
5. Die ersten «Proto-Eisenbahnen» verkehrten in Minen, nicht als Strassenbahnen.
6. Als in England die ersten Trams verkehrten, lag die Spurbreite von Pferdewagen bei 1m30 bis 1m90; 1m43.5 war kein Standard. Noch wichtiger aber ist: Strassenbahnen waren aus Metall und wurden von Metallbearbeitungsexperten mit Metallbearbeitungswerkzeugen gemacht. Pferdewagen hingegen waren traditionell aus Holz, was anderen Knowhows und anderer Werkzeuge bedurfte.
7. Auch bei amerikanischen Eisenbahnen gab es bis zum US-Bürgerkrieg keinen Standard. Dass sich ausgerechnet 4ft 8.5in durchsetzte, ist zwar erklärbar, bis zu einem gewissen Grad aber auch Zufall. Es hätte andere Optionen gegeben.
Die Pferdehintern-Spaceshuttle-Story ist eine nett erzählte Geschichte. Geschrieben von jemandem, der keine Ahnung von Geschichte hat – für Leute, die auch keine Ahnung haben. Und sie ist schon recht alt. Sie taucht bereits 1905 in der Zeitschrift «Popular Mechanics» auf (damals noch ohne den Spaceshuttle-Teil). Früher hätte man von einer Ente gesprochen, heute heisst das simplerweise Fake News. Jeder kann mal auf so etwas reinfallen, ich habe auch schon dazugehört. Darum verurteile ich niemanden, der solche Texte glaubt oder verbreitet, aber ich ziehe umso mehr meinen Hut vor allen, die dazulernen, und die Falschinfos löschen oder korrigieren.