DIE BALLADE VON "LE SCHNOKELOCH"
Schon die inoffizielle Hymne ist ein Widerspruch in sich. Denn Hans im Schnokeloch «hat alles, was er will. Und was er hat, das will er nicht und was er will, das hat er nicht, der Hans im Schnokeloch hat alles, was er will». Nonsens? Nein, Elsass.
In der Schweiz gilt es als harmloses Kinderlied: «Hans im Schnäggeloch» oder «Schnoggeloch» ist ein wankelmütiger Geselle, ein Kindskopf, der nicht tut, was er soll und nicht soll, was er tut. Dass das Lied zugleich als Hymne des Elsass gilt, liegt daran, dass sich die Elsässerinnen und Elsässer mit Hans identifizieren. Und dass vor langer Zeit ein Wirt namens Hans eine Auberge in Le Schnokeloch betrieb – einem sumpfigen und offenbar von Stechmücken verseuchten Ort in der Nähe von Strassburg.
«Wankelmütig ist auch die Elsässer Geschichte», erklärt Donatus Düsterhaus, Bibliotheksleiter der Interfakultären Bibliothek für Geschichte und Theologie an der Universität Freiburg. «Im Mittelalter unterhielt das Land zwischen Vogesen und Rhein engere Verbindungen über den Fluss im Osten als über die Hügel im Westen.» Der Rhein präsentierte sich bis zu seiner Begradigung als Geäst aus Inseln und kleineren Flussarmen und war auch mit einfachen Booten relativ leicht zu überqueren. Und so gehörte das Elsass lange Zeit zum Einflussgebiet deutschsprachiger Fürsten, insbesondere der Habsburger. Erst im 17. Jahrhundert kam es unter die Kontrolle des französischen Königs. 1871 fiel l’Alsace an das deutsche Kaiserreich und nach dem Ersten Weltkrieg erneut an Frankreich. 1940 wurde es wiederum von Deutschland annektiert, bevor es 1945 ein letztes Mal die Seiten wechselte und nun definitiv Französisch wurde.
Donatus Düsterhaus hat – als deutscher Staatsbürger – einen Teil seines Militärdiensts im «Eurocorps» absolviert, einer internationalen Truppe, die in Strassburg stationiert ist. So kam er in Kontakt mit Militärs aus halb Europa, aber auch mit dem Elsass, das ihn bis heute fasziniert. Was heute möglich ist, war lange undenkbar. Die Lage am Grabenbruch zwischen alemannischer und romanischer Welt hat dem Elsass die vielleicht grösste Dichte an Festungen und Burgen in ganz Europa beschert. «Sie hat aber auch die Sprache der Leute geprägt und ihre Spuren in der Elsässer Küche hinterlassen», führt Düsterhaus aus. «Sowohl Wein, als auch Bier sind hier verankert. Etwa jedes dritte in Frankreich verkaufte Bier ist ein «Kronenbourg» aus dem gleichnamigen Strassburger Viertel.» Aber auch Elsässer Weine, wie der Gewürztraminer, haben eine lange Geschichte, von den unverwechselbaren Geschmacksnoten ganz zu schweigen. Zugleich ist das Elsass die einzige Gegend Frankreichs, wo ein so teutonisches Gericht wie Sauerkraut zur lokalen Identität gehören kann. «Für Elsässerinnen und Elsässer war die wechselhafte Geschichte ihrer Region allerdings oft eher ein Trauma, als eine Bereicherung», gibt Düsterhaus zu bedenken. «Mehrfach wurden sie in Kriegen gezwungen auf einer Seite zu kämpfen, die ihnen nicht behagte. Man misstraute ihnen deshalb und stellte ihre Loyalität infrage.» Hans im Schnokeloch wurde darob zum Eigenbrötler: «Und was er sagt, das denkt er nicht und was er denkt, das sagt er nicht, der Hans im Schnokeloch sagt alles, was er will». «Werden Französinnen und Franzosen heute zum Elsass befragt», erläutert Donatus Düsterhaus die gängen Klischees, «so denken sie zuerst an die fünf C: Colombage, Cathédrale, Choucroute, Cygogne, Coiffe – also Fachwerkhäuser, Kathedrale, Sauerkraut, Störche und die riesige Schleife, der Kopfschmuck der elsässischen Tracht.» Doch das traditionelle Bild zeigt nur einen kleinen Ausschnitt. Das Elsass ist eine der modernsten und wirtschaftlich stärksten Regionen Frankreichs. Zwar ist auch hier die Jugendarbeitslosigkeit hoch, doch die Region verfügt über eine starke Automobilindustrie, konkurrenzfähige Landwirtschaft, Tourismus und etwas Biotechnologie und ist international besonders gut vernetzt. Gerade mal zwei Drittel der Unternehmen sind in französischer Hand und Elsässerinnen und Elsässer arbeiten zu tausenden in Süddeutschland und der Schweiz. Vielleicht heisst es deshalb «und wo er ist, da bleibt er nicht und wo er bleibt, gefällt’s ihm nicht. Der Hans im Schnokeloch geht dorthin, wo er will».
Schon vor Jahrhunderten zogen Elsässer Tagelöhner zur Arbeit nach Basel, wo sie mal liebevoll, mal spöttisch als «Vagabonds», verkürzt «Waggis» bezeichnet wurden und inzwischen zur populärsten Figur der Basler Fasnacht geworden sind. Umgekehrt zogen nicht wenige Schweizer ins Elsass: Zentralschweizer Bauern flüchteten vor dem Hunger und Berner Wiedertäufer vor der Verfolgung. Das Elsass galt als «Brotkorb der Schweiz» und die Stadt Mühlhausen war überdies von 1515 bis 1798 ein Verbündeter der alten Eidgenossenschaft. Von hier führte ab 1841 auch die erste Zugslinie mit Schweizer Beteiligung nach Basel (lange bevor die Spanisch-Brötli-Bahn Zürich mit Baden verband). Heute teilen sich Basel und Mulhouse auch einen gemeinsamen Flughafen – ein Projekt, das verglichen mit den Debatten um Zürich-Kloten kaum für Diskussionen sorgt. Eine grenzüberschreitende Strassenbahn von Basel nach St. Louis bestand schon im Jahr 1900. Die Linie verschwand zwar zwischenzeitlich, wird aber im Dezember 2017 wieder in Betrieb genommen und soll wenigstens einige der tausenden Elsässer Pendlerinnen und Pendler zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr bewegen.
Jenen, die es noch können, kommt bei der Arbeit in der Schweiz natürlich das singend-melodiöse Elsässerdeutsch sehr gelegen, das hierzulande relativ mühelos verstanden wird. «Dieses verschwindet aber zusehends», wendet Düsterhaus ein, «es gerät aus der Mode und wird auch in den Familien nicht mehr so verbreitet gesprochen, wie früher. Insbesondere in den Städten verliert der elsässische Bilinguisme zusehends an Terrain. In Strasbourg spricht nur noch jeder sechste Dialekt, da helfen auch zweisprachige Strassenschilder nicht viel. Auch auf dem Land ist die Quote der elsässerdeutsch Sprechenden auf unter 50 Prozent gesunken und insbesondere die Jungen identifizieren sich heute stärker mit Frankreich und der französischen Sprache – und verzichten deshalb auf die Regionalsprache». Dabei wird das linguistisch interessante und akustisch gefällige Idiom inzwischen auch von Paris anerkannt und kann beispielsweise als Maturitätsfach gewählt werden. Für eine Trendumkehr reicht es bislang aber nicht. Und die deutschsprachigen Tageszeitungen sind inzwischen verschwunden.
«Aber nicht nur sprachlich, auch religiös hat das Elsass in Frankreich eine Sonderstellung», sagt Düsterhaus, der sich in seiner Dissertation mit den Predigten lutheranischer Elsässer Pastoren zwischen Französischer Revolution (1789) und Wiener Kongress (1815) befasst hat. «Konfessionell ist es die bunteste Region Frankreichs. Die Reformation hat zumindest teilweise stattgefunden. Das Elsass verfügt deshalb über einen signifikanten Anteil an Protestanten und auch die jüdischen Gemeinden wurden weniger belangt als andernorts. Bis dann die Shoa auch hier tiefe Spuren hinterliess. Das Elsass beherbergt ausserdem den bislang einzigen öffentlichen muslimischen Friedhof und die zweitgrösste Moschee Frankreichs». Das Überraschendste aber ist, dass im Elsass die Laïcité, also die Trennung von Staat und Kirche, nicht angewandt wird. «Als diese in Frankreich eingeführt wurde, war das Elsass gerade mal wieder in deutscher Hand. Spätere Versuche, die Laïcité einzuführen, stiessen auf massiven Widerstand und so erhalten heute Priester, Rabbis und Pastoren ihr Gehalt vom Staat. Anders als im übrigen Frankreich gibt es im Elsass Religionsunterricht in den Schulen; Kirchen, Synagogen und Moscheen werden mit Steuergeldern unterhalten. Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung mit dem System zufrieden ist».
Zufrieden dürften auch die Verantwortlichen der Stadt Strassburg sein. Die elsässische Metropole ist auch die Hauptstadt der 2015 neu geschaffenen zehn Departemente umfassenden Region «Grand Est». Zugleich ist Strassburg aber auch der Sitz des Europäischen Parlaments, des Europarats und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie weiterer europäischer Institutionen und versteht sich deshalb als «Hauptstadt Europas». Es überrascht nicht, dass auch der zweisprachige Fernsehsender Arte seinen Hauptsitz in Strassburg hat. «Das Leben in den Gassen der Stadt ist in den letzten Jahren internationaler und bunter geworden», konstatiert Düsterhaus, «und das nicht nur der vielen Touristen wegen, die die UNESCO-Welterbe-Stadt mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern, Flüssen, Bächen und Kanälen in immer grösserer Zahl besuchen».
Das Elsass ist eine Region der Widersprüche und Überraschungen – aber auch eine, die sich in letzter Zeit gut entwickelt hat. Das sieht man nicht zuletzt im Umland von Strassburg, wo Sümpfe und Marschland längst trockengelegt sind – und das sogar in Le Schnokeloch. «Gut möglich», resümiert Düsterhaus, «dass es dem sonderbaren Schenkenwirt Hans hier inzwischen ganz gut gefallen würde. Dass er hierbleiben würde und endlich hätte, was er will».
Anmerkung: Der Text erschien ursprünglich in Universitas. Gemäss Google Analytics ist er der meistangeklickte auf meiner Homepage.
In der Schweiz gilt es als harmloses Kinderlied: «Hans im Schnäggeloch» oder «Schnoggeloch» ist ein wankelmütiger Geselle, ein Kindskopf, der nicht tut, was er soll und nicht soll, was er tut. Dass das Lied zugleich als Hymne des Elsass gilt, liegt daran, dass sich die Elsässerinnen und Elsässer mit Hans identifizieren. Und dass vor langer Zeit ein Wirt namens Hans eine Auberge in Le Schnokeloch betrieb – einem sumpfigen und offenbar von Stechmücken verseuchten Ort in der Nähe von Strassburg.
«Wankelmütig ist auch die Elsässer Geschichte», erklärt Donatus Düsterhaus, Bibliotheksleiter der Interfakultären Bibliothek für Geschichte und Theologie an der Universität Freiburg. «Im Mittelalter unterhielt das Land zwischen Vogesen und Rhein engere Verbindungen über den Fluss im Osten als über die Hügel im Westen.» Der Rhein präsentierte sich bis zu seiner Begradigung als Geäst aus Inseln und kleineren Flussarmen und war auch mit einfachen Booten relativ leicht zu überqueren. Und so gehörte das Elsass lange Zeit zum Einflussgebiet deutschsprachiger Fürsten, insbesondere der Habsburger. Erst im 17. Jahrhundert kam es unter die Kontrolle des französischen Königs. 1871 fiel l’Alsace an das deutsche Kaiserreich und nach dem Ersten Weltkrieg erneut an Frankreich. 1940 wurde es wiederum von Deutschland annektiert, bevor es 1945 ein letztes Mal die Seiten wechselte und nun definitiv Französisch wurde.
Donatus Düsterhaus hat – als deutscher Staatsbürger – einen Teil seines Militärdiensts im «Eurocorps» absolviert, einer internationalen Truppe, die in Strassburg stationiert ist. So kam er in Kontakt mit Militärs aus halb Europa, aber auch mit dem Elsass, das ihn bis heute fasziniert. Was heute möglich ist, war lange undenkbar. Die Lage am Grabenbruch zwischen alemannischer und romanischer Welt hat dem Elsass die vielleicht grösste Dichte an Festungen und Burgen in ganz Europa beschert. «Sie hat aber auch die Sprache der Leute geprägt und ihre Spuren in der Elsässer Küche hinterlassen», führt Düsterhaus aus. «Sowohl Wein, als auch Bier sind hier verankert. Etwa jedes dritte in Frankreich verkaufte Bier ist ein «Kronenbourg» aus dem gleichnamigen Strassburger Viertel.» Aber auch Elsässer Weine, wie der Gewürztraminer, haben eine lange Geschichte, von den unverwechselbaren Geschmacksnoten ganz zu schweigen. Zugleich ist das Elsass die einzige Gegend Frankreichs, wo ein so teutonisches Gericht wie Sauerkraut zur lokalen Identität gehören kann. «Für Elsässerinnen und Elsässer war die wechselhafte Geschichte ihrer Region allerdings oft eher ein Trauma, als eine Bereicherung», gibt Düsterhaus zu bedenken. «Mehrfach wurden sie in Kriegen gezwungen auf einer Seite zu kämpfen, die ihnen nicht behagte. Man misstraute ihnen deshalb und stellte ihre Loyalität infrage.» Hans im Schnokeloch wurde darob zum Eigenbrötler: «Und was er sagt, das denkt er nicht und was er denkt, das sagt er nicht, der Hans im Schnokeloch sagt alles, was er will». «Werden Französinnen und Franzosen heute zum Elsass befragt», erläutert Donatus Düsterhaus die gängen Klischees, «so denken sie zuerst an die fünf C: Colombage, Cathédrale, Choucroute, Cygogne, Coiffe – also Fachwerkhäuser, Kathedrale, Sauerkraut, Störche und die riesige Schleife, der Kopfschmuck der elsässischen Tracht.» Doch das traditionelle Bild zeigt nur einen kleinen Ausschnitt. Das Elsass ist eine der modernsten und wirtschaftlich stärksten Regionen Frankreichs. Zwar ist auch hier die Jugendarbeitslosigkeit hoch, doch die Region verfügt über eine starke Automobilindustrie, konkurrenzfähige Landwirtschaft, Tourismus und etwas Biotechnologie und ist international besonders gut vernetzt. Gerade mal zwei Drittel der Unternehmen sind in französischer Hand und Elsässerinnen und Elsässer arbeiten zu tausenden in Süddeutschland und der Schweiz. Vielleicht heisst es deshalb «und wo er ist, da bleibt er nicht und wo er bleibt, gefällt’s ihm nicht. Der Hans im Schnokeloch geht dorthin, wo er will».
Schon vor Jahrhunderten zogen Elsässer Tagelöhner zur Arbeit nach Basel, wo sie mal liebevoll, mal spöttisch als «Vagabonds», verkürzt «Waggis» bezeichnet wurden und inzwischen zur populärsten Figur der Basler Fasnacht geworden sind. Umgekehrt zogen nicht wenige Schweizer ins Elsass: Zentralschweizer Bauern flüchteten vor dem Hunger und Berner Wiedertäufer vor der Verfolgung. Das Elsass galt als «Brotkorb der Schweiz» und die Stadt Mühlhausen war überdies von 1515 bis 1798 ein Verbündeter der alten Eidgenossenschaft. Von hier führte ab 1841 auch die erste Zugslinie mit Schweizer Beteiligung nach Basel (lange bevor die Spanisch-Brötli-Bahn Zürich mit Baden verband). Heute teilen sich Basel und Mulhouse auch einen gemeinsamen Flughafen – ein Projekt, das verglichen mit den Debatten um Zürich-Kloten kaum für Diskussionen sorgt. Eine grenzüberschreitende Strassenbahn von Basel nach St. Louis bestand schon im Jahr 1900. Die Linie verschwand zwar zwischenzeitlich, wird aber im Dezember 2017 wieder in Betrieb genommen und soll wenigstens einige der tausenden Elsässer Pendlerinnen und Pendler zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr bewegen.
Jenen, die es noch können, kommt bei der Arbeit in der Schweiz natürlich das singend-melodiöse Elsässerdeutsch sehr gelegen, das hierzulande relativ mühelos verstanden wird. «Dieses verschwindet aber zusehends», wendet Düsterhaus ein, «es gerät aus der Mode und wird auch in den Familien nicht mehr so verbreitet gesprochen, wie früher. Insbesondere in den Städten verliert der elsässische Bilinguisme zusehends an Terrain. In Strasbourg spricht nur noch jeder sechste Dialekt, da helfen auch zweisprachige Strassenschilder nicht viel. Auch auf dem Land ist die Quote der elsässerdeutsch Sprechenden auf unter 50 Prozent gesunken und insbesondere die Jungen identifizieren sich heute stärker mit Frankreich und der französischen Sprache – und verzichten deshalb auf die Regionalsprache». Dabei wird das linguistisch interessante und akustisch gefällige Idiom inzwischen auch von Paris anerkannt und kann beispielsweise als Maturitätsfach gewählt werden. Für eine Trendumkehr reicht es bislang aber nicht. Und die deutschsprachigen Tageszeitungen sind inzwischen verschwunden.
«Aber nicht nur sprachlich, auch religiös hat das Elsass in Frankreich eine Sonderstellung», sagt Düsterhaus, der sich in seiner Dissertation mit den Predigten lutheranischer Elsässer Pastoren zwischen Französischer Revolution (1789) und Wiener Kongress (1815) befasst hat. «Konfessionell ist es die bunteste Region Frankreichs. Die Reformation hat zumindest teilweise stattgefunden. Das Elsass verfügt deshalb über einen signifikanten Anteil an Protestanten und auch die jüdischen Gemeinden wurden weniger belangt als andernorts. Bis dann die Shoa auch hier tiefe Spuren hinterliess. Das Elsass beherbergt ausserdem den bislang einzigen öffentlichen muslimischen Friedhof und die zweitgrösste Moschee Frankreichs». Das Überraschendste aber ist, dass im Elsass die Laïcité, also die Trennung von Staat und Kirche, nicht angewandt wird. «Als diese in Frankreich eingeführt wurde, war das Elsass gerade mal wieder in deutscher Hand. Spätere Versuche, die Laïcité einzuführen, stiessen auf massiven Widerstand und so erhalten heute Priester, Rabbis und Pastoren ihr Gehalt vom Staat. Anders als im übrigen Frankreich gibt es im Elsass Religionsunterricht in den Schulen; Kirchen, Synagogen und Moscheen werden mit Steuergeldern unterhalten. Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung mit dem System zufrieden ist».
Zufrieden dürften auch die Verantwortlichen der Stadt Strassburg sein. Die elsässische Metropole ist auch die Hauptstadt der 2015 neu geschaffenen zehn Departemente umfassenden Region «Grand Est». Zugleich ist Strassburg aber auch der Sitz des Europäischen Parlaments, des Europarats und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie weiterer europäischer Institutionen und versteht sich deshalb als «Hauptstadt Europas». Es überrascht nicht, dass auch der zweisprachige Fernsehsender Arte seinen Hauptsitz in Strassburg hat. «Das Leben in den Gassen der Stadt ist in den letzten Jahren internationaler und bunter geworden», konstatiert Düsterhaus, «und das nicht nur der vielen Touristen wegen, die die UNESCO-Welterbe-Stadt mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern, Flüssen, Bächen und Kanälen in immer grösserer Zahl besuchen».
Das Elsass ist eine Region der Widersprüche und Überraschungen – aber auch eine, die sich in letzter Zeit gut entwickelt hat. Das sieht man nicht zuletzt im Umland von Strassburg, wo Sümpfe und Marschland längst trockengelegt sind – und das sogar in Le Schnokeloch. «Gut möglich», resümiert Düsterhaus, «dass es dem sonderbaren Schenkenwirt Hans hier inzwischen ganz gut gefallen würde. Dass er hierbleiben würde und endlich hätte, was er will».
Anmerkung: Der Text erschien ursprünglich in Universitas. Gemäss Google Analytics ist er der meistangeklickte auf meiner Homepage.