1964 – Jura libre! (Audioversion am Ende des Texts)
Dem Verteidigungsminister blieb nur der Rückzug. Am Fuss des «Vieux Fritz» genannten Soldatendenkmals auf dem Col des Rangiers hatte Bundesrat Chaudet 1964 eine Rede halten wollen. Die Militärmusik war aufmarschiert, dazu einige Kavalleristen und Soldaten mit Schweizerfahnen – sie waren deutlich in der Minderheit. Rund siebentausend Menschen drängten sich auf dem Pass, schwenkten Jura-Fahnen und verhinderten mit Sprechchören den Auftritt des Bundesrats. «Jura libre!»
Die Aktionen der Separatisten machten von sich reden. Insbesondere die «Béliers» überraschten immer wieder mit radikalen Aktionen. Sie verübten Brand- und Sprengstoffanschläge, besetzten Botschaften, störten den Berner Tag an der Expo 64, mauerten den Eingang des Berner Kantonsparlaments zu und gossen Teer in die Tramschienen der Bundesstadt. Die Lunte zu all diesen Problemen reichte anderthalb
Jahrhunderte zurück – zu Napoleon und zum Wiener Kongress (Zeitreise 53).
Damals war das sogenannte Fürstbistum Basel (Zeitreise 23) dem Kanton Bern zugeschlagen worden. Womit die Probleme programmiert waren: Welsche Katholiken im protestantischen, deutschsprachigen Bern. Immer wieder hatte es Spannungen gegeben und die erreichten ein neues Level, als das Kantonsparlament 1947 dem gewählten Jurassier Georges Moeckli die Leitung des Verkehrsdepartements verwehrte. Begründung: er spreche zu wenig Berndeutsch. Bei Protesten in Delémont wurde daraufhin offen die Abspaltung gefordert.
Die Separatisten organisierten sich als «Béliers» – «Widder» – und erfanden spektakuläre Protestformen. Pro-Berner hielten als «Sangliers» – «Wildschweine» – dagegen, während Bund, Kanton und Armee durch ihr hemdsärmeliges Verhalten zusätzlich zum Konflikt beitrugen. Als die Jurassier 1974 schliesslich an der Urne über den Bruch mit Bern befinden konnten, offenbarte sich vor allem die innere Spaltung des ehemaligen Fürstbistums. Der Norden votierte klar für die Sezession, der Süden, inzwischen protestantisch geprägt, sprach sich für den Verbleib bei Bern aus. Eine zweite Abstimmung bestätigte die Spaltung des Juras, in einer dritten entschieden einzelne Gemeinden, zu welcher Seite sie gehören wollten. Am 24. September 1978 segneten die Stimmenden der übrigen Schweiz die Teilung ab. Der Jura wurde zum 23. Schweizer Kanton.
Die Jurafrage verlor in der Folge an Brisanz. Ganz verschwunden ist sie aber nicht. Das zeigt nicht zuletzt das Schicksal des Soldatendenkmals auf dem Col des Rangiers. «Le vieux Fritz» wurde 1984 umgestürzt, 1987 angezündet, 1989 erneut gekippt und daraufhin entfernt. 2024 wechselt Moutier als vorerst letzte Gemeinde von Bern zum Jura.
Dem Verteidigungsminister blieb nur der Rückzug. Am Fuss des «Vieux Fritz» genannten Soldatendenkmals auf dem Col des Rangiers hatte Bundesrat Chaudet 1964 eine Rede halten wollen. Die Militärmusik war aufmarschiert, dazu einige Kavalleristen und Soldaten mit Schweizerfahnen – sie waren deutlich in der Minderheit. Rund siebentausend Menschen drängten sich auf dem Pass, schwenkten Jura-Fahnen und verhinderten mit Sprechchören den Auftritt des Bundesrats. «Jura libre!»
Die Aktionen der Separatisten machten von sich reden. Insbesondere die «Béliers» überraschten immer wieder mit radikalen Aktionen. Sie verübten Brand- und Sprengstoffanschläge, besetzten Botschaften, störten den Berner Tag an der Expo 64, mauerten den Eingang des Berner Kantonsparlaments zu und gossen Teer in die Tramschienen der Bundesstadt. Die Lunte zu all diesen Problemen reichte anderthalb
Jahrhunderte zurück – zu Napoleon und zum Wiener Kongress (Zeitreise 53).
Damals war das sogenannte Fürstbistum Basel (Zeitreise 23) dem Kanton Bern zugeschlagen worden. Womit die Probleme programmiert waren: Welsche Katholiken im protestantischen, deutschsprachigen Bern. Immer wieder hatte es Spannungen gegeben und die erreichten ein neues Level, als das Kantonsparlament 1947 dem gewählten Jurassier Georges Moeckli die Leitung des Verkehrsdepartements verwehrte. Begründung: er spreche zu wenig Berndeutsch. Bei Protesten in Delémont wurde daraufhin offen die Abspaltung gefordert.
Die Separatisten organisierten sich als «Béliers» – «Widder» – und erfanden spektakuläre Protestformen. Pro-Berner hielten als «Sangliers» – «Wildschweine» – dagegen, während Bund, Kanton und Armee durch ihr hemdsärmeliges Verhalten zusätzlich zum Konflikt beitrugen. Als die Jurassier 1974 schliesslich an der Urne über den Bruch mit Bern befinden konnten, offenbarte sich vor allem die innere Spaltung des ehemaligen Fürstbistums. Der Norden votierte klar für die Sezession, der Süden, inzwischen protestantisch geprägt, sprach sich für den Verbleib bei Bern aus. Eine zweite Abstimmung bestätigte die Spaltung des Juras, in einer dritten entschieden einzelne Gemeinden, zu welcher Seite sie gehören wollten. Am 24. September 1978 segneten die Stimmenden der übrigen Schweiz die Teilung ab. Der Jura wurde zum 23. Schweizer Kanton.
Die Jurafrage verlor in der Folge an Brisanz. Ganz verschwunden ist sie aber nicht. Das zeigt nicht zuletzt das Schicksal des Soldatendenkmals auf dem Col des Rangiers. «Le vieux Fritz» wurde 1984 umgestürzt, 1987 angezündet, 1989 erneut gekippt und daraufhin entfernt. 2024 wechselt Moutier als vorerst letzte Gemeinde von Bern zum Jura.