Eifach kei Dubel
Heute zähle ich zum letzten Mal die Stimmen im Wahlbüro Therwil/BL. Ich habe es knapp 20 Jahre, fast 100 Abstimmungssonntage lang gemacht. JA, NEIN, JA, JA, NEIN.
Für die, die’s nicht kennen: Therwil ist der absolute Schweizer Durchschnitt. Etwas kleiner als Zürich, etwas grösser als Echallens. Agglo. Therwil hat Einfamilienhäuser, Blöcke, Bauernhöfe, ein Industriequartier, ein Asylheim und eine Mehrzweckhalle. Trotz 10'000 Einwohnern nennt man sich hartnäckig Dorf, schreitet am ‹Banntag› die Gemeindegrenzen ab, wirft beim ‹Eierlesen› tierische Produkte durch die Gegend und besingt an der Fasnacht die Abenteuer des FC in der 12. Liga. Zwar wäre der Baseballclub Serienschweizermeister, aber das ist a) eine Randsportart und b) war Erfolg dichterisch noch nie sonderlich interessant.
Ich bin direkt neben der Kläranlage aufgewachsen. Fabrikviertel. Bei uns wurden die Elmex-Schachteln gemacht, die Tuben kamen aus der nächsten Fabrik. [Heute kommt beides aus Polen]. Ich lernte Fahrradfahren und streiten, spielte ‹Rundlauf› auf dem Pausenplatz, besuchte Bastelkurse im Advent, warf im Frühling Eier durch die Gegend und hoffte in der Musikschule vergeblich, dass mir plötzlich gelänge, was ich daheim nicht geübt hatte. Der schwedische Philosoph Zlatan Ibrahimovic hat mal gesagt, man könne ein Kind aus Rosengard herausnehmen, aber Rosengard nicht aus dem Kind - und dasselbe stimmt auch für Therwil, Zürich und Echallens.
Therwil ist dermassen durchschnittlich, dass es an Abstimmungssonntagen meistens im Trend liegt. Wer weiss, was Therwil sagt, weiss ungefähr, was die Schweiz sagt.
Stimmen zählen ist relativ langweilig und dieses Meditative ist am Sonntagmorgen schonmal ein guter Anfang. Noch besser aber ist das Team. Pensionierte, Studentinnen, Hausmänner, Architektinnen, Verwaltungs- und KMU-Angestellte. Leute, die sich in einer Ortspartei oder der Feuerwehr engagieren oder anders gesagt: Menschen von ausserhalb meiner üblichen, linksintellektuellen Bubble. Sporadisch wird über Politik gesprochen, weitaus öfter aber über Sport, wobei man sich quer durch alle Parteien meist darauf verständigt, dass der Sommer ein Schnügel und der Salzgeber ein Schwätzer ist [wozu ich anmerken möchte, dass die Herstellung dieses Konsens’ die gesellschaftspolitisch wichtigste Funktion der beiden Herren ist].
Das eigentliche Highlight aber sind die Wählerinnen und Wähler. Wer sie nicht kennt, unterschätzt sie gerne, aber ich erinnere mich beispielsweise an ein besonders tiefsinnig veranlagtes Exemplar, das auf das harte «Ja oder Nein?» des Gesetzgebers mit einem salomonischen «beides hat pro und kontra» antwortete. 2007 bewarben sich zwei Kandidaten als Ständerat, wobei sich der Herausforderer auf Plakaten besonders volksnah als «Euse Erich» anpries. Da dies im untern Kantonsteil aber nicht verstanden wird [es müsste ‹unsre Erich› heissen], machte dann auch ein gewisser «Erich Euse» einige Stimmen. [Ich sage jetzt nicht von welcher Partei … gut, ihr habt’s gerochen, es war die mit dem Sünneli]. Am allertiefsten aus der Seele sprach mir aber jener Wähler, der bei einer Bezirksrichterwahl - zur Auswahl standen zwei ebenso unbekannte, wie identische Juristen - statt eines Namens «Eifach kei Dubel!» auf den Zettel schrieb. Der Wählerwille war erkennbar, ob er erfüllt wurde, entzieht sich leider meiner Kenntnis.
Heute also zum letzten Mal: JA, NEIN, NEIN, JA - sortieren, zählen, nachzählen, addieren. Tragt mir ein bisschen Sorge zu dieser Demokratie und wenn Ihr mal nicht wisst, wen Ihr wählen sollt: «Eifach kei Dubel» ist immer ein guter Rat.
Für die, die’s nicht kennen: Therwil ist der absolute Schweizer Durchschnitt. Etwas kleiner als Zürich, etwas grösser als Echallens. Agglo. Therwil hat Einfamilienhäuser, Blöcke, Bauernhöfe, ein Industriequartier, ein Asylheim und eine Mehrzweckhalle. Trotz 10'000 Einwohnern nennt man sich hartnäckig Dorf, schreitet am ‹Banntag› die Gemeindegrenzen ab, wirft beim ‹Eierlesen› tierische Produkte durch die Gegend und besingt an der Fasnacht die Abenteuer des FC in der 12. Liga. Zwar wäre der Baseballclub Serienschweizermeister, aber das ist a) eine Randsportart und b) war Erfolg dichterisch noch nie sonderlich interessant.
Ich bin direkt neben der Kläranlage aufgewachsen. Fabrikviertel. Bei uns wurden die Elmex-Schachteln gemacht, die Tuben kamen aus der nächsten Fabrik. [Heute kommt beides aus Polen]. Ich lernte Fahrradfahren und streiten, spielte ‹Rundlauf› auf dem Pausenplatz, besuchte Bastelkurse im Advent, warf im Frühling Eier durch die Gegend und hoffte in der Musikschule vergeblich, dass mir plötzlich gelänge, was ich daheim nicht geübt hatte. Der schwedische Philosoph Zlatan Ibrahimovic hat mal gesagt, man könne ein Kind aus Rosengard herausnehmen, aber Rosengard nicht aus dem Kind - und dasselbe stimmt auch für Therwil, Zürich und Echallens.
Therwil ist dermassen durchschnittlich, dass es an Abstimmungssonntagen meistens im Trend liegt. Wer weiss, was Therwil sagt, weiss ungefähr, was die Schweiz sagt.
Stimmen zählen ist relativ langweilig und dieses Meditative ist am Sonntagmorgen schonmal ein guter Anfang. Noch besser aber ist das Team. Pensionierte, Studentinnen, Hausmänner, Architektinnen, Verwaltungs- und KMU-Angestellte. Leute, die sich in einer Ortspartei oder der Feuerwehr engagieren oder anders gesagt: Menschen von ausserhalb meiner üblichen, linksintellektuellen Bubble. Sporadisch wird über Politik gesprochen, weitaus öfter aber über Sport, wobei man sich quer durch alle Parteien meist darauf verständigt, dass der Sommer ein Schnügel und der Salzgeber ein Schwätzer ist [wozu ich anmerken möchte, dass die Herstellung dieses Konsens’ die gesellschaftspolitisch wichtigste Funktion der beiden Herren ist].
Das eigentliche Highlight aber sind die Wählerinnen und Wähler. Wer sie nicht kennt, unterschätzt sie gerne, aber ich erinnere mich beispielsweise an ein besonders tiefsinnig veranlagtes Exemplar, das auf das harte «Ja oder Nein?» des Gesetzgebers mit einem salomonischen «beides hat pro und kontra» antwortete. 2007 bewarben sich zwei Kandidaten als Ständerat, wobei sich der Herausforderer auf Plakaten besonders volksnah als «Euse Erich» anpries. Da dies im untern Kantonsteil aber nicht verstanden wird [es müsste ‹unsre Erich› heissen], machte dann auch ein gewisser «Erich Euse» einige Stimmen. [Ich sage jetzt nicht von welcher Partei … gut, ihr habt’s gerochen, es war die mit dem Sünneli]. Am allertiefsten aus der Seele sprach mir aber jener Wähler, der bei einer Bezirksrichterwahl - zur Auswahl standen zwei ebenso unbekannte, wie identische Juristen - statt eines Namens «Eifach kei Dubel!» auf den Zettel schrieb. Der Wählerwille war erkennbar, ob er erfüllt wurde, entzieht sich leider meiner Kenntnis.
Heute also zum letzten Mal: JA, NEIN, NEIN, JA - sortieren, zählen, nachzählen, addieren. Tragt mir ein bisschen Sorge zu dieser Demokratie und wenn Ihr mal nicht wisst, wen Ihr wählen sollt: «Eifach kei Dubel» ist immer ein guter Rat.